Malta

Die heiligen Inseln

Malta mit den Inseln Comino und Gozo, an der Schwelle zwischen Orient und Okzident gelegen, bilden ein kulturelles Kleinod im Herzen des Mittelmeeres. Malta wurde von dem römischen Historiker Plinius dem Älteren als „Nabel der Welt“ bezeichnet. Diese Bezeichnung spiegelt die strategische Lage der Insel im Mittelmeer wider, die sie zu einem wichtigen Knotenpunkt für Handel und kulturellen Austausch machte. Die Multivisionsschau Malta – Die Heiligen Inseln von Dr. Franz Josef Röll und Hildegard Wolf versteht sich als eine künstlerische und sozialästhetische Annäherung zur Geschichte, Kultur, Landschaft, Mythologie, Religion und zum Alltag von Malta. Live-Reportagen werden mit audiovisuellen Teilen verknüpft. In diesen Teilen verzichten die AutorInnen auf den gesprochenen Kommentar. Musik, Originaltöne und Bilder verschmelzen zu einem symphonischen Gesamteindruck. Den AutorInnen gelingt es dabei, den Zauber und das Geheimnisvolle der Inseln Malta, Gozo und Comino in betörende Bilder und berauschende Töne zu übertragen.

Seit Jahrhunderten war die strategisch bedeutsame Lage Anlass für fremde Herren, die Inseln unter ihren Herrschaftsbereich zu bringen. Trotz dieser unterschiedlichen Einflüsse gelang es den Maltesern, eine eigenständige Kultur und Identität zu entwickeln. Ihr tief verwurzelter Glaube an die christliche Religion, die der Sage nach der schiffbrüchige St. Paulus in Malta eingeführt hat, half ihnen, auch schwierigste Zeiten zu überwinden.
Die Schau ist in drei Hauptteile unterteilt, die wiederum jeweils in drei Sequenzen gegliedert sind. Der erste Teil der Schau setzt sich visuell mit den natürlichen Materialien Maltas auseinander: Wasser, Salz, Stoff, Stein, Glas und Metall. Fischer, Klöpplerinnen, Glasbläser, Steinbruch- und Werftarbeiter eröffnen den ZuschauerInnen ungewöhnliche Einblicke in die

traditionelle Arbeitswelt Maltas. Detailaufnahmen der kunstvollen Arbeitsprodukte geben Hinweise auf Charme und Charakter des maltesischen Volkes. Die Bemalung der traditionellen Fischerboote, die „Luzzu“ genannt werden,, hat eine tief verwurzelte symbolische Bedeutung. Die leuchtenden Farben und die charakteristischen Muster sind nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern symbolisieren auch kulturelle und spirituelle Bedeutungen. Eine der häufigsten Interpretationen ist, dass die Farben und die Augen, die oft auf den Bug der Boote gemalt sind, den Schutz der Fischer und ihrer Boote symbolisieren. Die Augen, die als „Augen des Osiris“ bezeichnet werden, sollen böse Geister abwehren und den Fischern Glück bringen und sie vor Gefahren auf See schützen..

Im zweiten Teil geht es um die Frühgeschichte Maltas. Die ersten Besiedlungen Maltas werden in die Zeit 6.000-4.500 vor Christi datiert. Ein uns unbekanntes Volk errichtete in der Jungsteinzeit riesige Tempelanlagen, die ersten Tempel Europas. Sie sind Zeugnisse einer verschollenen Urreligion. Die Megalith-Tempel weisen auffallend vorherrschende Rundformen im Grundriss der Tempelanlagen aus. Dies ließ die Vermutung aufkommen, dass diese Kultstätten einem Fruchtbarkeitskult gedient haben. Zudem ähneln sie in den Grundrissen und Proportionen femininer und mutterrechtliche Zivilisationen. Diese Kulturdenkmäler erinnern an den Mythos der „Großen Mutter“, einer Fruchtbarkeitsgöttin, deren Schoß Leben schafft und den Toten Wiedergeburt schenkt. In der mythischer Vorzeit wurden Tod und Leben, Werden und Vergehen als zwei Seiten einer Kraft.

Eindrucksvoll ist dies nachzuvollziehen im Hal Saflieni Hypogeum, das etwa 4000 v. Chr. errichtet wurde. Es handelt sich um ein unterirdisches Grabmal, das aus mehreren Kammern besteht und als eines der ältesten und am besten erhaltenen Beispiele für prähistorische Architektur in Europa gilt. Die unterirdische Anlage diente sowohl für die Bestattung der Toten und als hatte sie die Bedeutung eines Heiligtums. In der Bronzezeit (2.000-1.000 v. Chr.) wurde Malta vermutlich aus Sizilien wieder besiedelt. Im Jahrtausend vor Christus herrschten die Phönizier, deren Einfluss noch heute in den buntbemalten Fischerbooten, den malerischen „Dghajsa“, erkennbar ist. Die Phönizier hinterließen zudem auch ihre Sprache. Sie bildet die Grundlage für das heutige Maltesisch. Die Bedeutung der antiken Karrenspuren (cart ruts) ist bis heute ungeklärt.

Im dritten Teil wird die Geschichte und Tradition der Johanniter dargestellt (1530 bis 1798). 1530 hatte Karl V. dem von den Türken in Rhodos vertriebenen Orden die maltesische Inselgruppe übertragen. Die Johanniter, die im Jahre 1565 einer vierjährigen Belagerung durch die Türken standhielten, residierten auf Malta 270 Jahre. Insgesamt hinterließen die Johanniter einen bleibenden Einfluss auf Malta, der sich in der Architektur, Kultur, Religion und Geschichte der Insel widerspiegelt. Die Johanniter bauten beeindruckende Festungen, Kirchen und Paläste, darunter die berühmte St. John‘s Co-Cathedral in Valletta. Sie förderten Kunst, Wissenschaft und Bildung. Sie gründeten Schulen und Krankenhäuser, was zur Verbesserung der Lebensqualität beitrug. Der Orden war auch ein Zentrum für kulturellen Austausch und brachte verschiedene europäische

Einflüsse nach Malta, so z.B. von der Provence, Auvergne, Frankreich, Italien, Aragon. Die Johanniter hatten nicht nur militärische, sondern auch politische Macht. Sie regierten Malta als souveräne Herrscher und etablierten eine eigene Verwaltung, die das politische Leben der Insel prägte. Ihr Erbe ist bis heute in vielen Bereichen des maltesischen Lebens spürbar. Napoleon beendete diese Phase Maltas.
Mit Hilfe der Briten vertrieben die Malteser die Franzosen von der Insel. Im Frieden von Paris (1814) wurde Malta den Engländern zugesprochen. Bis zum Jahre 1964 blieben die Inseln britische Kolonie. Danach war Malta unabhängiges Mitglied des Commonwealth. Im Jahre 1974 wurde Malta zu einer selbständigen, demokratischen Republik erklärt. 1993 wurde der Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) formell anerkannt.

Zum Schluss wird das Augenmerk auf die Bedeutung der christlichen Riten gelenkt. In einer Kontrastmontage wird die Blütezeit des Johanniter-Ordens aktuellen Gestaltungsformen religiösen Lebens gegenübergestellt. Dies geschieht durch eine vielfältige Präsentation der berühmten maltesischen Festas, die zu Ehren der jeweiligen Kirchenheiligen ekstatisch gefeiert werden. An acht verschiedenen Orten recherchierten die Autoren, um diese (aus mitteleuropäischer Sicht) Mischung aus Prozession, Neujahrsfest und Karneval gebührend in Bild und Ton zu übertragen. Beeindruckend sind die Festas in Mosta, Hamrun, Vittoriosa, St. Paul in Valletta und Mdina, der alten Hauptstadt, die immer auch mit Feuerwerken verbunden sind. Die Feuerwerke stehen auch in Verbindung mit einem Wettbewerb, da verschiedene Gemeinden um die besten und spektakulärsten Feuerwerke

wetteifern. Diese Festas sind nicht nur religiöse Ereignisse, sondern auch soziale Anlässe, bei denen die Menschen zusammenkommen, um zu feiern, zu essen und zu tanzen. Wenn als heilig geltende Figuren durch die Straßen getragen werden, sind die Straßen mit bunten Fahnen und Lichtern geschmückt. Ergänzend dazu gibt es Paraden mit traditionellen Trachten und Musikkapellen. Die Festas fördern den Gemeinschaftsgeist sowie die Beziehungskultur und stärken die Identität der maltesischen Bevölkerung. Ebenfalls beeindruckend sind die Karfreitagsprozessionen, die von einer Atmosphäre der Leidens, der Trauer und der Besinnung geprägt sind. Die ProzessionsteilnehmerInnen tragen traditionelle Gewänder und es werden verschiedene religiöse Symbole und Statuen mitgeführt, die die Passion Christi darstellen.