Im
Verlauf von vier Reisen recherchierten Prof. Dr. Franz Josef Röll
und Hildegard Wolf in Georgien, und Armenien. Neben den landschaftlichen
Sehenswürdigkeiten war ihr Blick auf die Kultur, die Mythologie,
den Alltag und die soziopolitische Lage gerichtet. Seit Jahrtausenden
bilden diese beiden Länder eine Schwelle zwischen Orient
und Okzident. Trotz der Situation, dass beide Länder immer
im Spannungsfeld rivalisierender Großmächte leben mussten,
haben sie eine eigenständige Kultur hervorgebracht. Das Christentum
konnte sich in diesen beiden Ländern schon früh entfalten.
Beispiellos lassen sich die frühen Spuren des Christentums
heute noch erkennen. Die politische Selbstständigkeit hat
ein Vakuum an Sinn hinterlassen. Deutlich wurde bei den Reisen,
dass beide Länder sich auf der Suche nach Identität
befinden. Diese Suche nach Sinn, vergleichbar einer Suche nach
dem Paradies, bildet die Metapher, um diese beiden Länder
im Rahmen einer achtteiligen Multivision-Schau zu präsentieren.
Die Erlebnisse sind in einer Musik-Bild-Montage verdichtet, die
ergänzt durch einen Live-Kommentar, einen vielfältigen
Eindruck von den beiden Ländern gewähren. Faszinierend
in beiden Ländern ist der Gesang. Die polyphone Männergesänge
(Chorgesänge) gelten als Unesco-Kulturerbe. Die Verwendung
von dieser Originalmusik verbunden mit O-Tönen machen die
Multivisionsschau nicht nur zu einem Seherlebnis, sondern auch
zu einem Ohrenschmaus.
Georgien - Suche nach den Paradies - Georgien
Nach
dem Gründungsmythos der Georgier vergass Gott beim Verteilen
der Erde die Georgier. Nachdem Gott diesen Irrtum bemerkte gab er
ihnen das Land, das er eigentlich für sich vorgesehen hatte.
Daher leben die Georgier in einem der schönsten Länder
der Erde. Jeder Besucher kann diese Selbstein-schätzung bestätigten.
Wie kaum ein anderes Land ist Georgien reich an vielfältigen
Landschaften. Georgien ist aber auch ein geschichtsträchtiges
Land. Entsprechend dem griechischen Mythos wurde Prometheus von
den Göttern an die Felsen des Kaukasus geschmiedet, weil er
den Menschen unerlaubt das Feuer gebracht hatte. Gerettet hat ihn
der griechische Held Theseus, der mit den Argonauten zum damaligen
Kolchis kam, um das goldene Vlies zu rauben. Mit Hilfe der Königstochter
Medea gelang ihm dies. Oft war Georgien von mächtigen Nachbarn
(Persien, Türkei, Russland) besetzt. Deren Spuren sind insbesondere
in Tblissi, der Hauptstadt von Georgien heute noch zu sehen. Besonders
eindrucksvoll ist die osmanische Badekultur sowie die Architektur
der Häuser in der Altstadt. Erkennbar wird auch, dass es in
Tbilissi auch lange Perioden gab, wo unterschiedliche Kulturen (georgische
und armenische Christen, Muslime und Juden) friedlich zusammen lebten.
Im ersten Teil der Schau werden die Sehnsuchtshorizonte gezeigt,
die mit dem Begriff "Tradition" in Verbindung stehen.
Von
einzigigartiger Faszination ist Kaukasusgebirge. Obwohl es sich
um ein Gebirgszug handelt, lassen sich ganz unterschiedliche landschaftliche
Ausdrucksformen finden. Archaisch und noch tief geprägt von
alten Traditionen ist Swanetien. Die Dörfer sind geprägt
von hohen Türmen, die wegen der Blutrache gebaut wurden und
den einzelnen Familien als Schutz und Rückzugsraum dienten.
Heute bilden sie eine grandiose Kulisse vor dem Kaukasusgebirge.
In Colasi feiern die Einheimischen ein Heiligenfest, dessen Ritus
tief durchdränkt ist von archaischen Traditionen. Hier vermischt
sich die christliche Kultur mit "heidnischen" Glaubensvorstellungen.
Dieses Gebiet ist im Winter von der Zivilisation mindestens fünf
Monate abgeschnitten. Hier leben nur noch alte Menschen, deren Sehnsuchtshorizont
mit der Hoffnung verbunden ist, dass ihre Kinder, die schon lange
das Gebiet verlassen haben, wieder zurückkommen. Auf der georgischen
Heerstraße passiert man die alte Kirchenfestung Ananuri und
gelangt vor dem Gebirgskamm zu dem Wahrzeichen Georgiens, der Kirche
Zminda Sameba, die wunderschön in die Landschaft integriert
ist. Von der Kirche aus eröffnet sich ein Blick zum 5.033 m
hohen Kasbek, einer der schönsten Berge im Kaukasus. Besondere
Geheimnisse birgt Chewsuretien. Dieses Gebiet liegt an der Grenze
zu Tschetschenien. Die Landschaft ist urwüchsig und die alten
Dörfer (Schatuli, Mutso) strahlen einen beispiellose Athmospäre
aus.
Bereits
im 4. JH wurde nach der Legende Georgien von der heiligen Nino christianisiert.
Bei dem Bau der ersten Kirche, auf deren Grundmauern die heutige
Kathedrale Sveti Zochoweli von Mzcheta steht, wurde nach dem Mythos
eine lebensspende Säule verwendet, die ein symbolischer Ausdruck
des Lebensbaumes ist. Das Lebensbaummotiv ist als Ornament auf den
Aussenfasssaden bei sehr vielen Kirchen zu sehen. Es ist sowohl
ein christliches Symbol (es erinnert an das Kreuz Christi und damit
Tod und Wiedergeburt) als auch ein archaisches Natur-Symbol. Die
spektakulären Höhlenklöster von Wardzia und David
Goredza, der fernöstlichste Vorposten des historischen Christentums,
verweisen auf die in Georgien seit dem 12. Jahrhundert belegte Tradition,
tief in den Felsen Mönchsklausen und Kirchen zu bauen. Maßgeblich
geprägt wurde Georgien von David dem Erneuerer (1089-1125).
Die Gründung der Akademie von Gelati, die den Ausgangspunkt
der georgischen Kultur bildete, leitete ein "goldenes Zeitalter"
für Georgien ein. Die Kreuzkuppelkirche ist der vorherrschende
Baustil. Die Innenräume sind mit prächtigen Gemälden
ausgestaltet. Die künstlerische Nähe zur griechischen
Kultur (Berg Athos) ist erkennbar. Auch der Ritus des georgischen
Christentums ist an dem chriechisch-orthodoxen Glauben angelehnt.
Besonders hervorzuheben sind die Kirchen von Gelati, Nikordzminda
und Kinzwisi (hier kann man das kunsthistorisch bedeutsame Kinzwisi-Blau
sehen). Seit der Wende suchen immer mehr Georgier Kraft im Glauben.
Sie erinnern sich daran, dass mit Hilfe des christlichen Glaube
das Land seit Jahrtausenden seine nationale Identität bewahrt
hat.
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Die
Auflösung der Sowjetunion hat Georgien in eine große
politische Krise gestürzt. Kriege und Ausei-nandersetzungen
wegen der abtrünnigen Provinzen Abchasien, Süd-Ossietien
und Adscharien haben das Land geschwächt. Noch heute leben
viele Flüchtlinge in schwierigen Lebensverhältnissen.
Die aktuelle Regierung hat sich deutlich für eine Orientierung
hin zum Westen entschieden. Dieser Umstand führte dazu, dass
Russland sich im Konflikt mit Georgien befindet. Die unsichere politische
und soziale Lage löst bei vielen Georgiern Sehnsuchtshorizonte
nach der sozialistischen Zeit aus. Im Rückblick verklären
viele den Sozialismus als paradiesische Zeit. Die Lebenssituation
in den Städten und den Dörfern belegt allerdings, dass
viele Probleme (Verfall der Häuser) kein Produkt der letzten
Jahre sind. Diejenigen, die von der Wende profitiert haben, sehen
im Kapitalismus das neue Paradies. Restaurierte Häuser in den
Städten lassen keimhaft Hoffnung auf eine bessere Zeit aufkommen.
Armenien
- Suche nach dem Paradies - Armenien
Die
Ursrpünglichkeit von Armenien hat sich vor allem im Süden
des Landes bewahrt. Biblische Land-schaften, alte Karawansereien,
antike Brücken, und Relikte aus der jahrtausendealten Geschichte
des Landes vermitteln den Eindruck als ob die Zeit stehen geblieben
wäre. Die Zoratsteine, eine der ersten Sternwarten aus der
Megalithzeit, älter als Stonehenge, findet sich in der Nähe
von Sissian. Chendoresk, eine altes Dorf, dessen Wohnungen in den
weichen Tuffstein gehauen wurden, ist längst verlassen. Gleichwohl
gibt das alte Dorf einen glänzenden Eindruck von den archaischen
Lebensverhältnissen in Armenien an der Grenze zum Iran. Petroglyphen
und Widderfiguren belegen, dass es sich um ein uraltes Kulturgebiet
handelt. Die Spuren der Antike finden sich in Garni. Ein hellenistischer
Mithras-Tempel steht majestätisch auf einem Basaltfelsen, direkt
daneben befindet sich ein römisches Badehaus.
Eine der dunkelsten Kapiteln der armenischen Geschichte ereignete
sich im Zeitraum des ersten Welt-kriegs. Zwischen 1915-1917 wurden
bei Massakern und Todesmärschen zwischen 1,5 Millionen Armenier
getötet oder in den Tod getrieben. Bis heute weigert sich die
türkische Regierung die damaligen Er-eignisse als Völkermord
zu bewerten. Das Mahnmal Tsitsernakaberd in Eriwan erinnert an diese
Tragödie. Die Ruinen von der ehemaligen armenischen Hautpstadt
Ani und viele Kirchen, wie z.B. Akthamar auf dem Vansee belegen,
dass große Teile Ostanatoliens früher Besiedlungsgebiet
der Armenier war.
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Bereits
im Jahre 315 war das Christentum in Armenien Staatsreligion. Die
Religionsgründung geht auf Gregor den Erleuchteten, dem Lehrer
von Armenien, zurück. Armenien ist somit das erste Land in
dem das Christentum Fuß fasst. Da in Armenien noch ein uralter
Ritus, das so genannte monophytische Glaubensbekenntnis gelehrt
wird (Christus ist Gott und Mensch zugleich = Einheit der beiden
Naturen), handelt es sich bei der armenischen Kirche um einen eigenständigen
christlichen Zweig. Die sonntäglichen Eucharistiefeiern in
der Kathedrale von Etchmiadsin geben einen eindrucksvollen Einblick
in die tiefe Gläubigkeit der Menschen. Während in Georgien
der Bezug zur Natur in die Religion integriert wird, wird beim armenischen
Christentum ein Drang in die Tiefe, das Dunkel erkennbar. Die geistige
Kultur Armeniens findet "unterirdisch" statt. Die meisten
Innenräume der Kirchen sind Dunkel. Vor dem Heiligtum befindet
sich der Gawitt, eine Versammlungshalle, in der früher alle
nichtreligiösen Dinge geregelt wurden. Die Hauptgebäude
bestehen aus einer Kuppel mit vier Stützen auf kreuzförmigem
Grundriß und ein würfelformiger Bau. Dieses architektonische
Prinzip ist den persischen Feuertempeln entlehnt. Die Kirchengebäuden
gelten als Vereinigung zwischen Himmel und Erde. Aus dem Dunkel,
der Höhle wendet sich der Gläubige zu Christus. Oft stehen
die Kirchen und Klöster an Schluchten (Hovhanavank, Sarmossavank,
Kloster Tatev). Auch hier wird der Bezug zur Unterwelt deutlich
erkennbar. Großartige Beispiele der christlichen Kultur finden
sich im Kloster Haghbat und Sinahin (Weltkulturerbe), Kloster Geghard
(hier finden noch Tieropfer statt) und dem Kleinod und Meisterwerk
der christlichen Architektur im Kloster Noravank. Von traumhafter
Schönheit ist der Blick auf das Kloster Chor Virap mit dem
heiligen Berg der Armenier, dem Ararat als Hintergrund. Beispiellos
ist die Kultur der Kreuzsteine, deren schönsten Exemplare in
Noradus am Sewan-See stehen.
Im
abschließenden Teil wird über die Ungleichzeitigkeit
der Entwicklung in Armenien berichtet. In Dörfern leben die
Menschen wie in traditionaler Zeit. Handarbeit und Handwerk prägt
das Alltagslegben. Das leckere Brot Lavash wird noch im eigenen
Ofen gebacken. In der Hauptstadt wandelt sich das Stadtbild. Die
Moderne ist deutlich zu spüren. Stück für Stück
wird die Altstadt entkernt, entstehen moderne Bauten. Am Hauptplatz
an der Oper gibt es Cafes, abends spielen Musikgruppen, überall
präsentieren Künstler ihre Werke, so dass die Stadt großstädischen
Flair ausstrahlt. Aber in den Seitenstraßen und Unterführungen
ist das "alte" Eriwan noch zu sehen. Deutlich ist die
Stadt und das Land geprägt von "Ungleichzeitigkeiten".
Während
die Georgier Hilfe und Unterstützung erfahren durch den Westen,
ist Armenien fast isoliert. Da die Türkei zur Nato gehört,
ist der Westen nicht oder kaum bereit die Armenier zu unterstützen.
Ohne die Hilfe von Russland hätte Armenien nicht die geringsten
Chancen in dem geopolitischen Konfiktfeld zwischen Orient und Okzident.
Im Augenblick gibt es ein fragiles Gleichgewicht. Eine Lunte genügt,
um die jahrhundertealten schwelenden Konflikte wieder entfachen
zu lassen. Die Multivisionsschau gibt auch einen Einblick in diesen
komplexen Zusammenhang.
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