Projektskizze „Süd III inside“

 

Ausgangslage: Mediengesellschaft:  

Kinder und Jugendliche wachsen in einer Welt auf, in der die Medien eine immer größere Bedeutung erhalten. Die Medien bestimmen ihre Leben und prägen ihr Denken, Fühlen und Handeln. Während der Übergang von einer Güter produzierenden und austauschenden Gesellschaft zu einer Gesellschaft, die Dienstleistungen und Informationen austauscht (Informationsgesellschaft), in vollem Gange ist, beginnt bereits der Wandel hin zur Wissensgesellschaft, in der es insbesondere um den Produktionsfaktor Wissen geht. Um in der aktuellen und der zukünftigen Gesellschaft bestehen zu können, bedarf es der Befähigung im Umgang mit den Neuen Medien.

Medienkompetenz wird zunehmend zur Schlüsselkompetenz in der Informationsgesellschaft und in der kommenden Wissensgesellschaft. Spätestens nach Pisa ist allen Verantwortlichen deutlich geworden, wie wichtig es ist Lesen und Schreiben zu können. Aber in Zukunft wird es genauso wichtig sein, eine alphanumerische Kompetenz zu besitzen (Umgang mit dem Computer). Nur wer beide Schlüsselqualifikationen besitzt, kann zuversichtlich in die Zukunft schauen.

Ein wesentliches Ergebnis der Pisa-Studie war die starke Differenz zwischen den SchülerInnen die gut und denen die schlecht abgeschnitten hatten. Offensichtlich gibt es in Deutschland eine große Bildungskluft. Durch die neue zentrale Bedeutung der Neuen Medien (z.B. Internet) besteht die Gefahr, dass die Kluft noch größer wird, da sich im Moment abzeichnet, dass die „Gebildeten“ die Neuen Medien“ intensiver nutzen als diejenigen, die bereits jetzt benachteiligt sind. Damit alle - insbesondere auch weibliche Jugendliche - die Chancen haben, sich in der Zukunft angemessen entwickeln zu können, ist alphanumerische Kompetenz unabdinglich.

Nicht auf der expliziten, sondern auf der impliziten Ebene, und damit auf spielerischer Weise, erlernten die Jugendlichen den Umgang mit dem Computer. Sie lernten die Auge-Hand-Koordination und die Interaktion mit Bildschirmmenüs. Sie lernten Daten per Text, Bild, Grafik und Video zu digitalisieren, in Seiten einzubinden und miteinander in Verbindung zu setzten. Sie wurden vertraut gemacht mit der Gestaltung von Multimediaseiten und damit sensibilisiert, die Wirkung von gestalterischen Ausdrucksmitteln wahrzunehmen. Damit machten Sie sich mit wesentlichen Kompetenzen vertraut, die auch in späteren beruflichen Tätigkeiten gefordert werden.



Ausgangslage: Politisches Lernen

Partizipative Teilhabe an gesellschaftlicher Verantwortung kann nur gelingen, wenn die unterschiedliche Partner sich verständigen können. Wer in der Zukunft teilnehmen will am gesellschaftlichen Diskurs und damit handlungsfähig sein will in Politik, Wirtschaft und Alltag bedarf der Kompetenz in der jeweils herrschenden kommunikativen Ausdrucksweise. Der beherrschende Diskurs der Politiker und Pädagogen wird durch die Sprache und Schrift bestimmt. Das ist genau der Bereich bei dem viele Jugendliche Defizite haben. Während es den Jugendlichen schwer fällt sich in der logisch-rationalen Argumentationsweise auszudrücken, haben sie einen schnellen Zugang zu den audiovisuellen Medien und lernen leicht, sich mit Ihnen zu verständigen. Damit ihre Anliegen und ihre Interessen nicht überhört werden, müssen Sie lernen Ihre Bedürfnisse zu artikulieren.


Wenn die These stimmt, dass Sie einen einfacheren Zugang zu den audiovisuellen Medien haben, besteht die Notwendigkeit, ihnen die Chance zu geben, sich über diese Medien zu verständigen. Da die Erfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der unter schwierigen Lebenssituationen aufwachsenden Jugendlichen die audiovisuellen und alphanumerischen Fähigkeiten nur passiv erwerben, bedarf es eines medienpädagogischen Lernprozesses um die latenten Fähigkeiten zu aktivieren.

Jugendliche mit ausländischer Herkunft und sozialer Benachteiligung weisen oftmals Defizite in beiden Denkweisen auf (sprachlich-rational als auch audiovisuell-alphanumerisch). Damit Sie nicht ausgegrenzt werden, sind Kompetenzerweiterungen für diese Zielgruppe von hoher Bedeutung.

 

Ausgangslage: Lebenswelt:

Die Besucher des Jugendhauses Go-In rekrutieren sich im wesentlichen aus Migrantenfamilien. Diese Jugendlichen sind in unserer Gesellschaft einem starken Mobilitätsdruck ausgesetzt. Ein zentrales Stichwort ihrer sozialen Situation ist Unverbundenheit (Bodenlos). Nur wenigen gelingt eine problemlose Integration in die neue Heimatkultur. Einerseits sind Sie noch stark geprägt von der Kultur ihres Geburtslandes, andererseits fällt es Ihnen schwer, sich bruchlos in die aktuelle deutsche Lebenskultur einzufügen. Sie schwanken zwischen den Werten, die Sie von Ihrer Familie erfahren (Tradition) und den Werten, die in ihrer Peergroup Bedeutung finden (Popkultur).

Eine besonders schwierige Lage ergibt sich für die Aussiedler-Jugendlichen. Meist waren Sie in ihren früheren Lebensorten keineswegs sozial voll integriert. Sie fühlten sich als Deutsche und waren stolz Deutsche zu sein. In Deutschland angekommen, stellen Sie plötzlich fest, dass Sie als Ausländer behandelt und ausgegrenzt werden. Ebenso erleben Sie, dass ihre von Russland mitgebrachten Werte, die sie als "deutsche Werte" betrachteten, hier keine Anerkennung finden.

Diese Ausgangssituation kann für beide Gruppen zu einer Identitätskrise führen. Wenn zu dieser Ausgangslage noch schulische, berufliche oder soziale Schwierigkeiten dazu kommen, liegen erhebliche soziale Belastungen vor, die einen guten Nährboden für auffallendes Verhalten bieten.

Das Projekt reagiert genau auf diese Problem-Schnittstelle. Durch die Erfahrung der kreativen Bewältigung einer Aufgabe erfahren sie sinnlich, dass in Ihnen Potentiale schlummern. Mittels der eigenständigen Bearbeitung von Multimediaseiten für eine CD erleben sich die Jugendlichen als kompetent und erhalten von ihrer peer group und anderen Jugendliche gesellschaftliche Anerkennung. Ihr Selbstbewusstsein wird gestärkt und ihre Chancen auf Anerkennung innerhalb und auch außerhalb ihres Kulturkreises steigt.


Projektumsetzung:

Im Einzugsbereich des Jugendhaus Go-In wohnen viele der in der Ausgangslage beschriebenen Jugendlichen. Das Go-In hat bei der Zielgruppe einen guten Ruf, daher wurde das Computerprojekt mit jugendlichen Besuchern des Go-In durchgeführt. Die Jugendlichen sollten die Gelegenheit erhalten eine gemeinsame interaktive Multimedia-CD zu produzieren.

Das Projekt wurde im WS 2001/02 und im SS 2002 durchgeführt. Die produzierte CD hat drei verschiedene inhaltliche Schwerpunkte. Der erste Teil der CD beschäftigt sich mit einer virtuellen Reise durch den Lebensraum der Jugendlichen. Mit digitaler Kamera und Videokamera durchstreiften die Jugendlichen ihren Stadtteil und stellten die subjektive Wahrnehmung ihres sozialen Lebensraumes zu einer bildhaften Collage zusammen. Im Rahmen einer Sozialrecherche erlernten sie die handlungsorientierte Aneignung von Medien und setzten sich gleichzeitig mit ihrer Lebenswelt auseinander (Plätze die gefallen, Orte wo sie sich wohl fühlen, Ecken, die sie nicht schön finden).


Der zweite Teil des Projekts konzentriert sich auf die persönliche Lebenswelt der Jugendlichen, ihre persönlichen Interessen, Bedürfnisse und Vorlieben, ihre virtuelle Biographie. Sie konnten Ihre eigenen Multimedia-Seiten entwerfen und gestalten. Entsprechend ihren Vorlieben beschäftigten Sie sich mit ihrer peer group, ihren Medienidolen oder ihrer Alltagskultur. Dieser Teil der CD, der in Our Lives zusammengefasst ist, gibt einen ungeschminkten Einblick in die Lebensfantasien und -entwürfe der beteiligten Jugendlichen.


Im dritten Teil des Projekts geben die Jugendlichen einen Einblick in den Jugendhausalltag des Go In. Die Räumlichkeiten werden gezeigt, auf verschiedene Aktivitäten wird audiovisuell hingewiesen.

Durch die Auseinandersetzung mit ihren persönlichen Interessen und ihrem sozialen Lebensraum werden sie in ihrer Suche nach sozialer und kultureller Verortung ernst genommen. In einem eigenständigen Lernprozess entdecken sie im Kontext eines assoziativen Lernens ihre Bedürfnisse und ihre potentiellen Entfaltungsmöglichkeiten.

 

Projektpartner:                       Max Reister, Go In, Jugendamt Stadt Darmstadt

 

Projektteilnehmer:                 Bernhard Jost, Eva Karnovsky, Gabor Keresztes,

Ines Klinka, Daniel Kozacki, Mariana Peréza, Markus Ries,